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Ziemlich nah dran

Bayern aus Sicht eines Zentralorgans. Ein Blick auf die Ausgaben des Bayernkurier vom 1. und 8. April 2006


Bayernkurier-Logo

Bayern, an dieser Erkenntnis führt kein Weg vorbei, das ist auch die politische Vorherrschaft der CSU. Während andere Parteien damit zu kämpfen haben, dass die politischen Bindungen sich lockern und die Milieus ihrer Stammwähler zerbröckeln, schreitet die CSU scheinbar mühelos von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. In Zeiten bundesweit dahinschmelzender Mehrheiten war es auf den den ersten Blick nicht unplausibel, wenn sich auch die Opposition in Bayern Hoffnungen machte, dass sie durch beharrliche Basisarbeit ihre Position im Lande würde verbessern können. Allerdings sprechen die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen eine andere Sprache: Die CSU baute ihren Vorsprung auf hohem Niveau eher noch aus, während die SPD als größte Oppositionspartei noch weiter verlor.

Die CSU steht also offenbar in recht engem Kontakt mit der Mentalität und dem Lebensgefühl des bayerischen Wählers. Anlass genug, einmal einen Blick auf das Bild von Bayern zu werfen, das der Bayernkurier, das Zentralorgan der CSU, projeziert. Sicherlich darf man von einer Parteipublikation nicht bruchlos auf die Mentalität der Bevölkerung schließen. Aber die Lektüre dieser 'Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur' gewährt doch einen Einblick in die Weltsicht der CSU, und zeigt das Interface, über das die Partei mit der Vorstellungswelt der Wählerschaft zu kommunizieren versucht.

Zunächst fällt auf, wie stark die Partei sich in ihrer Außendarstellung mit dem Land Bayern identifiziert. Der Bayernkurier präsentiert sich in Anlehnung an die bayerischen Landesfarben durchgängig in weiß-blauer Aufmachung. Und in der Welt des CSU-Organs bilden der wirtschaftliche Erfolg und die landschaftliche Schönheit der Region eine nahtlose Einheit mit der politischen Programmatik der Partei.

'Näher am Menschen', dieser Slogan taucht immer wieder auf, fast mantraartig wird er verwendet. Er ist eines der Bindeglieder, mit denen die Einheit zwischen Partei und Bundesland zugleich behauptet und repräsentiert werden soll.

Ergebnisse Landtagswahlen Bayern. Quelle: de.wikipedia.org
Ergebnisse Landtagswahlen

Sprachlich gibt man sich optimistisch und erfolgreich. 'Es ist euere Zukunft', wird Ministerpräsident Edmund Stoiber auf der Titelseite zitiert. Darüber ein Bild mit einer feschen Blonden im Dirndl, die zu ihm aufsieht. Im Artikel darunter bekommt Stoiber Unterstützung, untermauert durch neue Daten zur wirtschaftliche Entwicklung: 'Endlich neue Jobs.' Schönheit, Wohlstand, Erfolg, Kooperation, Stabilität, Wachstum, diese Wörter markieren das semantische Feld, innerhalb dessen der Bayernkurier die Wirklichkeit des Landes beschreibt.

Doch die Idylle ist nicht perfekt, auf dem Radar des Bayernkuriers tauchen auch Gefahren auf. Diese lauern hauptsächlich außerhalb Bayerns. Die Opposition im Lande kommt in der Berichterstattung so gut wie gar nicht vor. Der politische Gegner, das sind hauptsächlich Spinner und Ideologen. Während CSU-Politiker pragmatisch und bodenständig das tun, was getan werden muss, sind die anderen 'Multi-Kulti-Träumer' und Schlimmeres. Der Berliner Regierungschef Klaus Wowereit ist für den Bayernkurier 'Verlierer der Woche', weil er - Sinnbild einer suspekten und irgendwie anrüchigen Lebensweise - 'beliebt, Perlwein aus Stöckelschuhen zu schlürfen', während auf den Schulhöfen seines Bundeslandes das Recht des Stärkeren herrscht. Im Gegensatz dazu widersteht der bayerische Kultusminister Siegfried Schneider den Versuchungen des Zeitgeistes, indem er sich für elementare Tugenden wie Fleiß und Disziplin stark macht. Aus Sicht des CSU-Zentralorgans wird er dafür 'Gewinner der Woche'.


Und sie bewegt sich doch

Allerdings wäre es ein Fehler zu glauben, dass der Bayernkurier einfach nur den ewig gleichen Konservatismus propagiert. Es sind gerade die subtilen programmatischen Anpassungen, die es der CSU über die Jahrzehnte hinweg erlaubt haben, in Bayern vorne zu bleiben. Aber während die Partei im Wirtschaftsbereich schon seit geraumer Zeit den Konservatismus gegenüber dem Pragmatismus hintan stellt, gilt sie bei der Familienpolitik immer noch als Hort der traditionellen Werte. Doch deuten sich auch auf diesem Gebiet deutliche Veränderungen an: Plötzlich ist da im Rahmen eines längeren Berichts über eine Networking-Veranstaltung der Frauen-Union von 'Frauenpower' die Rede, und davon, dass Frauen sich nicht auf die Hausfrauen-Rolle reduzieren lassen wollen. Vorboten einer kleinen Kulturrevolution?

Auf anderen Feldern gelingt die Annäherung der CSU an die moderne Kultur noch nicht ganz mühelos. So gibt der frisch gewählte Bürgermeister von Bayreuth, Michael Hohl, in der Rubrik 'Nachgefragt bei' zu Protokoll, dass er angeblich besonders gern bei einem Lied namens 'Lokomotiv Press' mitsinge. Gemeint hatte er vermutlich das Lied 'Locomotive Breath' der Gruppe Jethro Tull. Ziemlich nah dran, aber man kann schließlich nicht alles wissen.

Wenn man die Erfahrung der Vergangenheit zum Maßstab nimmt, ist allerdings ist davon auszugehen, dass solch kleine Fehler das Zutrauen des bayerischen Wählers nicht ernsthaft erschüttern können.





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