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Der den Felsblock wälzt

Außenminister Frank-Walter Steinmeiers politische Karriere hat sich bisher vorwiegend im Hintergrund abgespielt. Gleich nach seinem Amtsantritt erwarteten ihn einige schwierige Aufgaben im Nahen Osten.

Sein Scheitel teilt das silbrig-graue Haar. Ein wacher Blick, die randlose Brille eines Mannes, der keinen Sinn für unnötigen Firlefanz hat. Das füllige Gesicht ist ernst, der Lage angemessen. "Mit Bedacht und Augenmaß" wolle er vorgehen. Man glaubt es ihm gerne. Wenn Politiker sich an die Öffentlichkeit wenden, dann sind Bilder und Gesten ebenso wichtig wie Worte. Und Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister, liefert eine fein abgestimmte Mischung.

Stratege im Hintergrund

Er gilt als Mann des Apparates. Kritiker sagen ihm nach, dass er wenig charismatisch sei. Als Staatssekretär im Bundeskanzleramt und Vertrauter von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder war er jahrelang eine der einflussreichsten Figuren in der deutschen Politik. Aber das Wirken des promovierten Juristen vollzog sich hauptsächlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Strategiepapiere schreiben, Lagen einschätzen und Richtlinien entwickeln, das war sein Metier. "Frank-Walter Who?", soll die Standardfrage der Deutschland-Korrespondenten ausländischer Zeitungen gewesen sein, als der 50-jährige Steinmeier zum Außenminister der neuen Bundesregierung designiert wurde. Nun hat ihn der politische Prozess vom Hinterzimmer ins Scheinwerferlicht geworfen.

Außenminister Steinmeier vor Wechel des Brillenmodells
Außenminister Steinmeier vor Wechel des Brillenmodells

Das Streben nach Kontinuität und Berechenbarkeit in der Außenpolitik ist eine der Grundkonstanten der deutschen Politik nach dem Zweiten Weltkrieg, und Steinmeier verkörpert die Kontinuität zur Vorgängerregierung. Der Sohn eines Tischlers war Mitglied des inoffiziellen "Sicherheitskabinetts" unter Schröder, und er gilt als Mitgestalter der Grundlinien der rot-grünen Außenpolitik. Die Bemühung um eine größere geo-politische Rolle für Deutschland, von Schröder manchmal etwas forsch-polternd umgesetzt, wurde von Steinmeier unterstützt. Ebenso das Streben nach einer herausgehobenen Beziehung der Bundesrepublik zu Russland. Und auch an der Entscheidung, sich nicht am Irak-Krieg zu beteiligen, hat Steinmeier aus dem Hintergrund maßgeblich mitgewirkt.

Man durfte also gespannt sein, welche neuen Akzente Steinmeier als Außenminister setzen würde. Schwierige Situationen gab es gleich zu Beginn der Amtszeit genug: Geiselnahme, Karikaturenstreit, der Nahost-Besuch unmittelbar nach dem Wahlsieg der radikalislamischen Gruppierung Hamas in Palästina. Das waren alles Aufgaben, die selbst ein erfahrener Außenminister nicht einfach routinemäßig bewältigt.

Neue Akzente setzen

Der erste Test für den neuen Außenminister waren die Entführungen deutscher Staatsbürger im Irak. Der Erfolg des Krisenmanagements bei Geiselnahmen ist von außen schwer zu beurteilen. Deshalb werden die verantwortlichen Politiker zunächst hauptsächlich an den Erklärungen gemessen, die sie in den Medien abgeben. Und da traf Steinmeier für viele überraschend meist einen Tonfall, der im Lande auf Resonanz stieß.. "Berührt und schockiert" sei das Deutschland angesichts der Drohungen der Entführer, ihre Opfer zu töten. Die Lage sei "ernst", und es sei die Pflicht der Medien, bei ihren Veröffentlichungen "behutsam" vorzugehen. Der durch ein Gebet untermauerte Appell des Ministers, die Geiseln freizulassen, kam an. Noch in seiner demonstrativen Hilflosigkeit gab er der Stimmung im Lande Ausdruck. Erleichtert wurde ihm das Spiel von einer Presse, die es in solchen Krisensituationen nicht sonderlich genau wissen will. Was könnte es eigentlich bewirken, wenn die Geiselnehmer dem Aufruf des Ministers folgten und mit der Bundesregierung Kontakt aufnähmen? Wo doch die offiziell vertretene Linie ist, dass der Staat nicht erpressbar sein darf. Solche Fragen werden derzeit öffentlich kaum gestellt, und dies erlaubte es Steinmeier, zwischen dem Sprachcode der Diplomatie und dem menschelnden Jargon der Boulevardblätter hin- und herzuspringen, ohne je konkret werden zu müssen.

Wenn die Geiseldramen Steinmeiers Gespür für den richtigen Tonfall testeten, dann waren die dramatischen Entwicklungen im Iran und im Palästina-Konflikt eine erste Probe für seine politischen Akzentsetzungen. Wer an seiner Eigenständigkeit gezweifelt hatte, wurde eines Besseren belehrt. Seinem Parteivorsitzenden Matthias Platzeck fuhr er über den Mund, als dieser sich dafür aussprach, im Konflikt um das Atomprogramm des Iran militärische Optionen frühzeitig auszuschließen. "Wir sollten jetzt nicht Fragen beantworten wollen, die sich nicht stellen", beschied er ihm. Damit ergriff er unmissverständlich Partei für die zuvor von Kanzlerin Angela Merkel vertretene Position.

Auch in der Haltung zum Palästina-Konflikt deutete Steinmeier erste Absetzbewegungen von der Schröderschen "Hannover-Mafia" in der SPD an, der er seinen politischen Aufstieg verdankt. Mit deutlichen Worten unterstützte er auf seiner Nahost-Reise die israelische Position zum Umgang mit der radikal-islamischen Hamas. Diese Gruppierung hatte soeben die Wahl in den Palästinensergebieten gewonnen. Als Voraussetzung für Verhandlungen müsse sie das Existenzrecht Israels anerkennen und sich zu einem Gewaltverzicht bekennen. Damit distanzierte er sich auch von pazifistischen und israelkritischen Strömungen in der Bevölkerung und der eigenen Partei. Ex-Kanzler Schröder hatte sich mit seinem Gespür für das Populäre noch regelmäßig bemüht, diese einzubinden.

"Jede Generation muss, wie Sisyphos, ihren Felsblock wälzen", lautet ein Lieblingsspruch Steinmeiers. Dieser Pragmatismus wird ihn nach seinen ersten Schritten im Scheinwerferlicht vor Übermut bewahren. Von Camus stammt die Interpretation, dass man sich Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorzustellen habe. Steinmeier weiß gutes Essen zu schätzen. Man darf davon ausgehen, dass er Camus nicht widersprechen würde.




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